Es war ursprünglich geplant diese Tour einen Tag vorher zu starten, verschoben aber diese, weil Sturmtief Kirsten Thüringen durchpflügte und den einen oder anderen Baum in die Werra schubste.
Nun standen wir zum dritten Mal an der Werra bei einem jeweils anderen Kanuverleih und waren gespannt, was uns nun auf diesem Flussabschnitt erwarten würde.
Nachdem wir mit mehreren Besatzungen, Maske, Kanus und Ausrüstung von Mihla zum Start gebracht worden sind, übrigens die Gegend ist sehr schön, begann das übliche Prozetere am Fluss was so bei Verleihern und deren facettenreichen Klientel so üblich ist. Ich war im Nachhinein ganz froh darüber, dass wir noch fix einen Bootswagen bekamen, ein Paddel, Kanusack und unsere
Schwimmwesten brachten wir selbst mit. Ich benutzte das kürzeste Paddel vom Verleih:-)
Start war in Lauchröden, nahe der Ruine Grenzburg Brandenburg. Zu DDR Zeiten lag diese Ruine in der 500 Meter Zone der innerdeutschen Grenze und war somit nicht zu begehen. Der markante Werratalmäänder liegt ihr zu Füßen.
Wir setzten als erstes ein und paddelten los, einer Untiefe galt es gleich am Anfang der Reise auszuweichen. Die Ruine auf zwei Uhr wurde eine Weile zum Begleiter, später im Rücken, sprich achtern und plötzlich wieder vorm Bug, sodass wir dachten im Kreis zu paddeln;-) Auf historischen Fotos sind Schilder mit der Aufschrift „Achtung Flussmitte Grenze Bundesgrenzschutz“, dahinter sind die Grenzanlagen der DDR und die markante Doppelburgruine zu erkennen.
Der Fluss war doch weniger eingeschenkt wie ich am Start nach der ersten Untiefe erwartete. Das Lesen vom Fluss erwies sich auch hier als gutes Gepäck. Einige Anlegestellen hingen gut in der Luft, es fehlten einige Handbreit flüssiges Element. Selten gab es Grundkontakt mit dem Paddel, dennoch einmal leicht mit dem Kiel etwas berührt.
Plötzlich eine S – Kurve mit mehr Strömung vorm Bug, die sich tatsächlich etwas anspruchsvoll gestaltete. Die Schlauchboote und Kanus die hinter uns waren wurden vom Kehrwasser gefressen und drehten ihre Kreise. Ab diesem Zeitpunkt setzten wir uns endgültig ab und der Fluss gehörte uns.
Plötzlich ein Blick durch das Blätterwerk auf ein Dornröschen Schloss. Nein; Schloss Neuenhof im neugotischen Stil, die an Stelle einer abgetragenen mittelalterlichen Burgruine auf dem Hochufer im Jahr 1863 erbaut wurde. In den fünfziger Jahren waren dort Grenztruppen stationiert, später u.a. auch mal ein Jugendclub.
Ein roter Milan kreiste eine Zeit lang über den Fluss, kurze Zeit später saß er drei Bootslängen entfernt auf einem knapp drei Meter hohen Ast. Er flog ganz entspannt ab und drehte seine Kreise. So nah sichteten wir noch nie einen roten Milan in freier Wildbahn. Ein paar Eisvögel und Fischreiher waren noch kurze Begleiter.
Kurz vor der riesigen Autobahnbrücke Hörschel der A 4, schlängelte sich der Fluss durch eine liebevoll gestaltete Kleingartenanlage wo es vieles zu entdecken gab. Die Werratalbrücke Hörschel gehörte mit einer Höhe von 85 Meter und 732 Meter Länge zu den größten Spannbetonbrücken der ehemaligen DDR. Kurios, dass sie über der ehemaligen innerdeutschen Grenze schwebt, der Bau (1981 bis 1983) wurde in der Presse der DDR nicht erwähnt und die Übergabe erfolgte formlos. Finanziert wurde der Bau allerdings von der BRD! Ich dachte dass diese Brücke durch ihren neuwertigen Eindruck nach der Wende erst erbaut wurde. Es gibt doch immer wieder Bildungslücken :-). Hörschel ist ein Ortsteil von Eisenach, dort beginnt auch der Rennsteig.
Am Wehr Spichra legten wir ganz easy an weil dieses nicht fahrbar ist. Dort kam unser Bootswagen für die einhundert Meter zum Einsatz und wir waren ganz froh darüber. Die zwei Zugänge zum Fluss mussten erst einmal erkundet werden. Der eine sehr steil, der andere flach, letztere mit Stolperfallen garniert. Wir entschieden uns für den steileren und es wurde eine kleine Abseilaktion daraus.
Nun ging es zur Schlussetappe, teils mit drehendem, undramatischen Wind und kaum Strömung. Schön war es wieder.
Datum: 27. August 2020; Pegel: Gerstungen 99 cm; Kilometer: 16 plus
Grüße Mike